In der Gesellschaft und insbesondere in der neurorehabilitativen Praxis wird Behinderung durch eine Vielzahl von Faktoren definiert, die auf den Einschränkungen der individuellen Fähigkeiten und der Interaktion mit der Umwelt basieren. Die Definitionen können je nach Kontext variieren, aber einige grundlegende Konzepte lassen sich zusammenfassen:
Gesellschaftliche Definition
In der Gesellschaft wird Behinderung häufig auf die Einschränkungen und Barrieren reduziert, die Menschen mit körperlichen, geistigen, psychischen oder Sinnesbeeinträchtigungen daran hindern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der Fokus liegt hierbei auf der Barrierefreiheit und der Möglichkeit, uneingeschränkt und gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Die UN-Behindertenrechtskonvention definiert Behinderung als die Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und den Barrieren, die durch die Gesellschaft geschaffen werden und die die volle Teilhabe an der Gesellschaft erschweren oder verhindern.
Medizinische Definition
Im medizinischen Kontext, besonders in der Neurologie und Neurorehabilitation, wird Behinderung häufig auf den Grad der funktionellen Einschränkungen reduziert. Hier wird das Konzept oft auf bestimmte Fähigkeiten bezogen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel Beweglichkeit, Sprache, Kognition oder Selbstständigkeit im Alltag. Klassische Bewertungen wie die “Barthel-Index” oder die “FIM (Functional Independence Measure)” werden verwendet, um den Grad der Einschränkung festzustellen und den Fortschritt in der Rehabilitation zu dokumentieren.
Neurorehabilitation
In der Neurorehabilitation geht es darum, Menschen, die aufgrund von neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen eingeschränkt sind, wieder zu größtmöglicher Selbstständigkeit zu verhelfen. Der Fokus liegt auf der Wiederherstellung oder Verbesserung verlorener Funktionen durch spezifische therapeutische Interventionen, wie physikalische Therapie, Ergotherapie, Sprachtherapie und kognitive Rehabilitation. Ziel ist es, den Grad der Behinderung zu verringern und die Lebensqualität zu steigern, wobei Rehabilitationsteams individuell auf die Bedürfnisse und Einschränkungen der Patienten eingehen.
Bio-Psycho-Soziales Modell
Dieses Modell, welches von der WHO entwickelt wurde (und in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, kurz ICF, umgesetzt ist), integriert körperliche, psychische und soziale Aspekte, um Behinderung ganzheitlicher zu erfassen. Es berücksichtigt:
1. Körperliche Beeinträchtigungen (z. B. Lähmungen, sensorische Einschränkungen)
2. Aktivitätseinschränkungen (z. B. Schwierigkeiten beim Gehen oder Sprechen)
3. Teilhabe-Beeinträchtigungen (z. B. Herausforderungen in sozialen Beziehungen oder im Arbeitsleben)
Das Ziel der Neurorehabilitation im Rahmen des bio-psycho-sozialen Modells ist es, die Einschränkungen auf allen Ebenen zu reduzieren und dem Menschen eine möglichst vollständige Teilnahme am Leben zu ermöglichen.
Diese Definitionen zeigen, dass Behinderung nicht nur als individuelle Einschränkung betrachtet wird, sondern auch als das Zusammenspiel zwischen individuellen Fähigkeiten und gesellschaftlichen Bedingungen.